BGH,
Urteil vom 16.05.2002 Az.: III ZR 253/01
|
|
BUNDESGERICHTSHOF
VERSÄUMNISURTEIL VOM 16. Mai 2002
AZ.: III ZR 253/01
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Zahlung von Verbindungsentgelt
in Höhe von 16.654,67 DM nebst Zinsen für Telefongespräche,
die nach Behauptung der Klägerin in der Zeit von Oktober 1994 bis
Juli 1996 unter Benutzung zweier Telefonanschlüsse des Beklagten
geführt wurden.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der
- zugelassenen - Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren
weiter.
Entscheidungsgründe
Über die Revision ist gemäß §§ 557 a.F., 331
ZPO durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund sachlicher Prüfung
zu entscheiden (vgl. BGHZ 37, 79, 81 ff). Sie führt zur Aufhebung
des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Die in den Rechnungen der Klägerin aufgeführten eminent hohen
Telefongebühren beruhten darauf, daß nach Anwahl von überwiegend
0190-, vereinzelt auch 0180-Sondernummern Sextelefonate geführt
worden seien. Eine Abgrenzung zu anderen Telefonaten habe die Klägerin
nicht vorgenommen; eine solche lasse sich auch nicht aufgrund der zu
den Akten gereichten Unterlagen durchführen.
Hinsichtlich der geführten Sextelefonate stehe der Klägerin
ein Entgelt nicht zu, da sie sich in ihrer Eigenschaft als Netzbetreiber
in vorwerfbarer Weise an der kommerziellen Ausnutzung eines sittenwidrigen
Geschäfts beteiligt habe.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht
stand.
Wie der erkennende Senat bereits durch das nach Erlaß der Berufungsentscheidung
ergangene Urteil vom 22. November 2001 (III ZR
5/01 - NJW 2002, 361) ausgesprochen hat, werden Verbindungsentgelte
auch dann geschuldet, wenn die in Rechnung gestellten 0190-Sondernummern
zu dem Zweck angewählt worden sind, (sittenwidrige) Telefonsex-Gespräche
zu führen.
Das zwischen dem Betreiber eines Fest- oder Mobilfunknetzes und einem
Anschlußnehmer bestehende Vertragsverhältnis ist nach seinem
aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden
Gesamtcharakter nicht deshalb nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, weil
bereits bei Vertragsschluß objektiv die Möglichkeit bestand,
unter Benutzung des Anschlusses Telefonsex zu betreiben. Der Telefondienstvertrag
und die bei Durchführung dieses Vertrags erbrachten Leistungen
des Netzbetreibers (Herstellen und Aufrechterhalten von Verbindungen)
stellen unabhängig davon wertneutrale Hilfsgeschäfte dar,
ob die (sittenwidrigen) Telefonsexleistungen unter Verwendung eines
normalen Telefonanschlusses oder nach Anwahl einer 0190-Sondernummer
erbracht werden. Das ergibt sich daraus, daß auch im letzteren
Falle der Netzbetreiber für den Inhalt der angebotenen Sexdienstleistungen
nicht verantwortlich ist (vgl. § 5 Abs. 1 und
3 des Teledienstegesetzes). Die Wertneutralität der vertraglichen
Beziehungen zwischen dem Kunden und dem jeweiligen Netzbetreiber erstreckt
sich auf die getroffenen Preisabreden, auch wenn dabei - wie dies bei
0190-Sondernummern
der Fall ist - die Verbindungsleistung und die weitere Dienstleistung
zu deutlich höheren Gesamt- (einheitlichen, d.h. nicht weiter aufgeschlüsselten)
Entgelten als Telefon- oder Sprachmehrwertdienste angeboten und in Anspruch
genommen werden (eingehend hierzu Senatsurteil
aaO S. 362 f).
II.
Eine abschließende sachliche Entscheidung des Senats (§ 565
Abs. 3 ZPO a.F.) kommt nicht in Betracht. Der Beklagte hat in den Tatsacheninstanzen
geltend gemacht, er habe die in den Einzelverbindungsnachweisen der
Klägerin aufgeführten 0190-Sondernummer-Gespräche nicht
geführt; er könne sich diese Aufstellung nur dadurch erklären,
daß er Opfer betrügerischer Manipulationen geworden sei.
Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens
und Vernehmung mehrerer Zeugen die Klage mit der Begründung abgewiesen,
der für die Klägerin streitende Beweis des ersten Anscheins,
daß die durch automatische Gebührenzähler den Telefonanschlüssen
des Beklagten zugeordneten Tarifeinheiten tatsächlich durch über
diese Anschlüsse geführte Gespräche angefallen seien,
sei durch die erhobenen Beweise erschüttert worden. Diese Beweiswürdigung
des Landgerichts hat die Klägerin in der Berufungsbegründung
angegriffen. Damit hat sich das Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt
aus folgerichtig, nicht befaßt. Das ist nachzuholen.
|