0190-Dialer und Recht
Dokument im pdf-FormatLG Memmingen, Urteil vom 27.06.2001 Az.: 1 S 297/01

 

 

 

LANDGERICHT MEMMINGEN
URTEIL VOM 27.06.2001
AZ.: 1 S 297/01


Hat der Kunde eines Mobilfunkvertrages auf die Zusendung eines Einzelverbindungsnachweises verzichtet, so verbleibt die Beweislast für die geführten Gespräche dennoch beim Netzbetreiber.

Tatbestand:


Die Parteien streiten um die Richtigkeit von Telefonrechnungen, insbesondere über die Position "Roaming-Gespräche D1: 3.886, 62 DM zzgl. Mwst" aus der den Zeitraum 24.08. bis 01.09.1999 erfassenden Rechnung vom 05.10.1999. Die Beklagte hat auf die Gesamtforderung der Klägerin von 4.649,82 DM aus den streitgegenständlichen Rechnungen vom 05.10.1999 und 07.02.2000 - einem Vorschlag der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post folgend - vorprozessual 2.345, 87 DM bezahlt.


Im zugrundeliegenden Vertrag über die Nutzung eines Mobilfunktelefons vom 02.05.1997 bestand für die Kundin die Möglichkeit, unter der vorgedruckten Rubrik "Einzelgesprächsnachweis" zu wählen zwischen: "Einzelgesprächsnachweis gewünscht für nur 5,75 DM mtl.", "Einzelgesprächsnachweis verkürzt gewünscht für nur 5,75 DM mtl." und "Nein, sofortige Datenlöschung - keine nachträgliche Prüfung möglich!". Im Vertrag der Beklagten wurde letztere Möglichkeit angekreuzt. Da die Klägerin nach Erstellung und Versendung der Rechnungen die einzelnen Telefonverbindungsdaten löschte, war sie zu einem von der Beklagten geforderten Einzelgesprächsnachweis nicht in der Lage.


Ihre Klage auf Bezahlung eines Betrags von 4.649,82 DM hat das Amtsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei für ihre Forderung - abgesehen davon, daß diese durch Zahlung von 2.345,87 DM bereits erloschen sei - beweisfällig geblieben. Eine Beweislastumkehr greife nicht ein, weil der Kunde über die prozessualen Folgen einer vollständigen Löschung der Verbindungsdaten nicht hinreichend aufgeklärt worden sei.


Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin. Sie beruft sich insbesondere erneut darauf, daß die Regelungen in §§ 6 Abs. 4 TDSV, 16 Abs. 2 TKV bei beantragter sofortiger Löschung den Diensteanbieter vom Beweis der Richtigkeit der Entgeltrechnung befreien.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.


1. Die Klageforderung ist in Höhe von 2.345,87 DM durch Zahlung der Beklagten erloschen. Diese Zahlung blieb in der 1. Instanz unstrittig und wurde in Tatbestand und Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils als unstreitig bezeichnet. Die Klägerin griff in ihrer Berufungsbegründung die vorgebrachte Zahlung nicht an. Soweit sie zuletzt mit 1 Tag vor der mündlichen Verhandlung bei der Kammer eingegangenem Schriftsatz die Zahlung mit Nichtwissen bestritten hat, war dies unzulässig und verspätet (§§ 138 Abs. 4; 527, 296 Abs. 1 ZPO).


2. Im übrigen scheitert der Anspruch auf die geltend gemachten Verbindungsentgelte daran, daß die Klägerin sich vorliegend nicht mit Erfolg auf eine Beweislastumkehr berufen kann, vielmehr den ihr obliegenden Beweis für den Anfall der verlangten Gebühren (Einzelgesprächsnachweis) nicht führen kann.


a) Aus dem zugrundeliegenden Vertrag i.V.m. den die Entgeltermittlung und -abrechnung sowie den Datenschutz betreffenden telekommunikationsrechtlichen Regelungen der Telekommunikationsdiens-tunternehmen-Datenschutzverordnung vom 12.07.1996 (TDSV) und der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung vom 19.12.1995 bzw. 11.12.1997 (TKV) ergibt sich im Hinblick auf die hier gewünschte sofortige Datenlöschung keine Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten.


Die von der Klägerin gestaltete Rubrik "Einzelgesprächsnachweis" in dem Vertragsformular erweckt zunächst den Eindruck, daß der Einzelgesprächsnachweis als zusätzliche, entgeltliche Service-Leistung in Anspruch genommen werden könne. Die Konsequenz daraus, wenn ein solcher Nachweis nicht gewünscht wird, sondern "Nein" angekreuzt wird, ist für einen nicht rechtskundigen Verbraucher nicht hinreichend durchschaubar.


Die Klägerin will dem kleingedruckten Hinweis "keine nachträgliche Prüfung möglich" und der ebenfalls in Kleindruck erfolgten Bezugnahme auf umseitige Allgemeine Geschäftsbedingungen die Bedeutung einer Beweislastumkehr nach § 6 Abs. 4 TDSV beimessen. Damit werden die wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung geradezu auf den Kopf gestellt.


Während es tragender Gesichtspunkt des Prozessrechts ist, daß derjenige, der einen Anspruch geltend macht, diesen auch substantiiert darzulegen und zu beweisen hat und auch die Bestimmungen der TDSV vorsehen, daß eine Überprüfung der Verbindungsdaten bis 80 Tage nach Versendung der Rechnung möglich ist und bei Einwendungen die Daten länger gespeichert werden dürfen, sieht § 6 Abs. 4 TDSV bei der aus Gründen des Datenschutzes getroffenen Wahl der sofortigen Datenlöschung Beweisnachteile für den Kunden vor.


Aus dem Auftragsformular der Klägerin geht aber weder hervor, daß der Kunde insoweit ein freies Wahlrecht ausübt, noch werden die Konsequenzen einer Beweislastumkehr deutlich, wonach der Nutzer gegenüber dem Anbieter beweisen muß, daß die Verbindungen und die dadurch entstandenen Entgelte nicht angefallen sind. Die Formulierung "keine nachträgliche Prüfung möglich" besagt nichts darüber, wer deshalb welche Nachteile bei Streitigkeiten zu tragen hat.


b) Es versteht sich unter den gegebenen Umständen von selbst, daß ein wirksames Verlangen der Löschung i.S.v. § 6 Abs. 4 Nr. 2 TDSV daher nur vorliegt, wenn der Kunde eindeutig auf die Beweisnachteile hingewiesen worden ist, nämlich darauf, daß sich der Anbieter bei sofortiger Datenlöschung seiner generellen Darlegungs- und Beweislast zur Höhe des angefallenen Entgelts entledigt (vgl. LG Ulm, NJW-RR 1999, 1511; OLG Köln, VersR 2001, 724). Insoweit bestand auch eine vertragliche Nebenpflicht, die sich aus der überlegenen Sachkunde des Anbieters gegenüber dem Kunden ergibt.


Da eine solche ausreichende Aufklärung gegenüber der Beklagten fehlt, liegt die Beweislast nach wie vor bei der Klägerin, die nach Löschung der Verbindungsdaten beweisfällig bleibt. Die Aufnahme einer Regelung zur Beweislastumkehr in die AGB der Klägerin war unwirksam (§ 11 Nr. 15 AGBG).


3. Soweit die streitgegenständlichen Rechnungen Grundgebühren enthalten, die wohl nicht bestritten worden sind, hat das Erstgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß diese mit der erfolgten Zahlung abgegolten sind.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.


 

 

Weitere Rechts-Portale von uns:

Affiliate & Recht - Alles zum Thema Partnerprogramme & Recht

Glücksspiel & Recht - Rechtliche Infos zu Glücks- und Gewinnspielen
Mehrwertdienste & Recht - Rechts-Infos zu Mehrwertdiensten
Datenschutz & Recht - Urteile & Aufsätze zum Datenschutz
Suchmaschinen & Recht - Artikel, Infos und Urteile zum Recht der Suchmaschinen